Sportsucht: Wenn zu viel Sport getrieben wird

Sportsucht
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„Geht das überhaupt? Kann man wirklich zu viel Sport treiben?“, fragen Sie sich jetzt zu recht. Denn schließlich fördert Sport Ihre Gesundheit. Also ab wann wird Training zur Droge? Welche Persönlichkeitsmerkmale weisen Sportsüchtige auf? Und was hilft gegen eine Sportsucht? In diesem Artikel habe ich für Sie Antworten zusammengetragen.

Inhalt:

  1. Ab wann gelten Sie als sportsüchtig?
  2. Gründe für eine Sportsucht
  3. Was hilft gegen Sportsucht?
  4. Fazit

1. Ab wann gelten Sie als sportsüchtig?

Für den Ottonormalverbraucher gibt es in der Regeln zwei Gruppen von Menschen: die, die gern Sport treiben und die, die Sport hassen. Aber es gibt noch eine dritte Gruppe: die, die ohne Sport nicht leben können. 

Beantworten Sie einmal folgende Fragen:

  • Ordnen Sie ihrem Sport alles andere unter?
  • Vernachlässigen Sie dem Sport zuliebe Ihre Familie und Freunde?
  • Trainieren Sie „heimlich“, um Kritik aus Ihrem Umfeld zu entgehen?
  • Trainieren Sie täglich mehrere Stunden obwohl Sport nur Ihr Hobby ist?
  • Ignorieren Sie Verletzungen und trainieren Sie trotz Schmerzen weiter?
  • Ziehen Sie auch bei Krankheit Ihr Training kompromisslos durch?
  • Sind Sie launisch und reizbar, wenn Sie ein Training ausfallen lassen müssen?
  • Mögen Sie Applaus und Anerkennung als Lohn dafür, dass Sie sich abrackern?
  • Machen Sie Sport, um sich abzulenken oder weil es in anderen Bereichen Ihres Lebens nicht so funktioniert?

Wenn Sie wenigstens sieben dieser Fragen mit Ja beantwortet haben, dann würden Wissenschaftler Sie ganz klar als sportsüchtig einstufen.

Bei Sportsucht steht nicht mehr nur die Freude an der Bewegung im Mittelpunkt, sondern häufig wird zwanghaft nach einer stetigen Sportdosis verlangt, um sich wohlzufühlen. Sie gelten als sportsüchtig, wenn Sie Sport exzessiv betreiben, dabei alles andere zweitrangig ist und Sie selbst bei Krankheit, Schmerzen oder Verletzungen weiter trainieren.

Sport trotz Verletzung

Aber Achtung!

Nicht jeder, der ein hohes Bedürfnis nach Sport und intensivem Training hat, ist deswegen abhängig vom Sport. Denn nach Experten-Schätzungen sind lediglich ein bis drei Prozent der Freizeitsportler süchtig nach Bewegung. Sportsucht ist kein Massenphänomen! Wenn Sie regelmäßig und leidenschaftlich Sport betreiben, haben Sie daher sehr wahrscheinlich lediglich eine hohe Selbstverpflichtung bzw. Bindung an den Sport. Ohne sie würden Sie schließlich nicht so wahnsinnig gern Sport treiben. 

Ich kann aus eigener Erfahrung sprechen, dass die Grenze zur Sportsucht sehr vage und für Familie und Freunde oft nicht genau erkennbar ist. Als ich mich vor Jahren auf meinen ersten Halb-Ironman vorbereitete, glaubten meine Eltern, ich sei sportsüchtig. Kein Wunder! Denn ich trainierte an sechs Tagen pro Woche und insgesamt standen wöchentlich neun Trainingseinheiten auf dem Plan. Da kamen zwölf bis 15 Stunden Sport pro Woche zusammen! Aber wenn man in drei Disziplinen trainiert, um eine Halb-Ironman-Distanz zu absolvieren und dabei auch noch möglichst Spaß zu haben, dann ist das Trainingspensum nun einmal hoch. Entscheidend dabei ist, dass das Training auf einen bestimmten Zeitraum begrenzt hoch ist und nicht permanent auf diesem Niveau Sport getrieben wird. 

2. Gründe für eine Sportsucht

Außenstehende bewundern wahrscheinlich Ihre eiserne Disziplin, mit der Sie viel Sport treiben. Bei Sportsüchtigen ist aber teilweise nur schwer wahrzunehmen, dass sie einen starken inneren Druck – einen Zwang – verspüren, Sport zu treiben. Sie können einfach nicht mehr aufhören.

Grundsätzlich ist wissenschaftlich nicht eindeutig belegt, wie es zu einer Sportsucht kommt. Aktuelle Untersuchungen gehen von folgenden möglichen Mechanismen aus:

Gewöhnung

Vielleicht kennen Sie das Gefühl: eigentlich haben Sie gar keine Lust auf Sport, aber nachdem Sie Ihr Training doch durchgezogen haben, stellt sich ein Glücksgefühl ein und Sie fühlen sich gut. Die freigesetzten Endorphine befeuern Ihr Belohnungssystem im Gehirn. 

Aber nach einer Weile reicht die Endorphindosis nicht mehr aus und Ihr Gehirn will mehr von dem Stoff. Wie ein Drogensüchtiger müssen Sie nun von Mal zu Mal Ihre Dosis erhöhen, um dieses Hochgefühl erneut zu erleben.

Lebenseinstellungen und Persönlichkeitsmerkmale

Um zu beurteilen, ob Sie sportsüchtig sind oder zumindest einen Hang zur Sportsucht haben, dürfen Sie nicht nur Ihr Trainingspensum hinterfragen, sondern vielmehr Ihre Haltung zum Leben im Allgemeinen und zum Sport sowie zur Ernährung im Besonderen. 

Deutsche Forscher fanden zwar nach einer Online-Umfrage in der Allgemeinbevölkerung einen Zusammenhang zwischen dem Zwang, sich gesund zu ernähren und dem Zwang, Sport zu treiben, jedoch war dieser geringer, als eingangs vermutet wurde.

Zählen Sie Gewissenhaftigkeit und Perfektionismus zu Ihren Persönlichkeitsmerkmalen, dann ist bei Ihnen das Risiko für eine Sportsucht erhöht. Das ergab die oben genannte Untersuchung außerdem. Als Mann zeigen Sie zudem eine höhere Extravertiertheit wenn Sie zur Sportsucht neigen. Als Frau hingegen neigen Sie eher zu einer Sportabhängigkeit, wenn Neurotizismus – auch als emotionale Labilität bezeichnet – bei Ihnen vorherrscht. 

Streben nach einem perfekten Körper

Ein weiteres mögliches Motiv der Sportsucht ist das Streben nach einem perfekten Körper. Oft tritt Sportsucht als Begleiterscheinung einer Essstörung wie Magersucht oder Bulimie auf. Umgekehrt ist es aber auch möglich, dass Sie durch das zwanghafte Streben nach dem perfekten Körper und/oder einem möglichst geringen Wettkampfgewicht eine spezielle Form der Magersucht entwickeln: die sogenannte Anorexia athletica. Sie versuchen, aufgenommenen Kalorien, die Sie als zu viel und belastend empfinden, wieder abzutrainieren.

Ein deutsches Forscherteam verglich die Stimmung und das Denken von Patient*innen mit Essstörungen (überwiegend Bulimie und Magersucht), um Schlüsse auf eine Sportsucht ziehen zu können. Erwartungsgemäß war diese Personengruppe im Schnitt angespannter, unzufriedener mit dem eigenen Körper und hatten einen größeren Drang, dünn zu sein. Außerdem waren sie weniger energiegeladen und ihre Stimmung war schlechter. Sport setzten sie gezielt ein, um ihre Stimmung und negative, mit der Essstörung zusammenhängende Gedanken zu kontrollieren. Durch das bei Menschen mit Essstörungen rasche Abklingen dieses positiven Effekts wird jedoch ein Teufelskreis ausgelöst: Immer häufiger und/oder intensiver wird Sport getrieben, um (kurzfristig) Zufriedenheit zu erlangen.

Perfekter Körper

Realitätsflucht

Realitätsflucht wird ebenso als Motiv für Sportsucht diskutiert. Vielleicht geht es Ihnen genauso: Sport hilft Ihnen häufig, den Alltag zu vergessen. Große körperliche Belastungen verlangen von Ihnen schließlich die volle Konzentration auf das Hier und Jetzt und lassen Ihren Alltagsfrust weit in den Hintergrund treten. Dieses scheinbare Nichtvorhandensein von Alltagsproblemen ist ein Zustand, den Sie womöglich immer wieder erstreben wollen.

Mangelndes Selbstwertgefühl

Auch spielt generell ein mangelndes Selbstwertgefühl eine Rolle. Frust oder Misserfolge kompensieren Sie durch Sport und die damit einhergehenden Erfolge. Sie streben die völlige körperliche Erschöpfung an und bewertet das als Erfolgserlebnis. Das steigert folglich Ihr Selbstbewusstsein. Außerdem mindert es Ihre Ängste und Unsicherheiten – solange Ihr Leistungsniveau oben bleibt.

Leistungsgedanke

Leistung hat in unserem Gesellschaftssystem einen hohen Stellenwert und ist somit positiv konnotiert. Wer im Sport Leistungen erbringt, die für die breite Masse schier unvorstellbar sind, wird bewundert, dient als Vorbild und wird auf einen Sockel gestellt. Wer viel leistet, ist anerkannt. Vielleicht finden Sie diesen Zustand ebenso erstrebenswert.

3. Was hilft gegen Sportsucht?

Ob Männer und Frauen unterschiedliche Strategien gegen die Sportsucht benötigen, bleibt zu erforschen. Generell können Ihnen diese Methoden bei einer echten Sportsucht helfen:

Seien Sie ehrlich und hören Sie auf Ihren Körper

Haben Sie den Großteil der Fragen unter Punkt 1 mit Ja beantwortet? Gut! Denn das zeigt, dass Sie ehrlich waren. Erkenntnis ist der erste Schritt. Nur so können Sie Ihre Sportsucht lösen.

Lassen Sie negative Gefühle zu

Wenn Sie keinen Sport treiben können, fühlen Sie sich vermutlich leer und frustriert. Wahrscheinlich geht es Ihnen mies, weil Sie Ihren Trainingsplan nicht einhalten können und Leistungseinbußen befürchten. Wir Menschen tendieren dazu, negative Gefühle und Gedanken wegzudrücken oder sie sofort lösen zu wollen. Das setzt uns unter zusätzlichen Stress. Besser ist es, wenn Sie Ihre Gefühle annehmen und akzeptieren. Im Englischen gibt es den Begriff „embrace“ – umarmen. Indem Sie Gefühle so zulassen, wie sie sind, nehmen Sie den Druck aus der Situation und werden merken, dass es okay ist, traurig, verzweifelt und schwach zu sein.

Verhaltenstherapie

Mithilfe eines Therapeut*in wird ein Trainingsplan angelegt und mit Ihnen gemeinsam überwacht. Anders als beispielsweise bei einem Alkoholsüchtigen wird hier das Pensum nicht auf null heruntergefahren. Als Betroffene*r sollen Sie sich weiterhin bewegen, denn Sport ist schließlich grundsätzlich gesund. Ziel ist es jedoch, Ihren Trainingsumfang auf ein gesundes Maß zu bringen.

Training nach Plan

Entspannung

Ebenso kann es Ihnen helfen, verschiedene Entspannungstechniken zu erlernen. Mit Meditation, autogenem Training oder Atemübungen können Sie einer aufkommenden Unruhe oder Ängsten etwas entgegensetzen. 

Sprechen Sie die Sucht offen an

Was, wenn Sie quasi auf der anderen Seite stehen und in Ihrer Familie oder Freundeskreis jemanden haben, bei dem Sie eine Sportsucht vermuten? Dann sprechen Sie denjenigen offen darauf an und finden Sie die Gründe für das aus Ihrer Sicht übermäßig viele Trainieren heraus. Verhärtet sich Ihr Verdacht einer Sportsucht, dann versuchen Sie, ihn/sie zu überzeugen, sich professionelle Hilfe zu suchen. Bieten Sie ihm/ihr Ihre Hilfe und Unterstützung an, beispielsweise indem Sie ihn/sie zu einer Familientherapie begleiten.

Ich betone aber an dieser Stelle nochmals, dass nicht jeder, der ein hohes Trainingspensum hat, automatisch sportsüchtig ist. Sie sollten daher eine pauschale Beurteilung meiden, aber ehrlich interessiert nachfragen und zuhören.

4. Fazit

Sportsucht ist kein Massenphänomen. Auch genügt nicht einfach ein Blick auf Ihren Trainingsumfang, um Sie als sportsüchtig zu deklarieren. Vielmehr entscheiden Ihre Lebenseinstellung, Persönlichkeitsmerkmale und Ihr Umgang mit gesellschaftlichen Zwängen und Vorbildern darüber, ob Sie glauben, ohne Sport nicht leben zu können. 

Was Ihnen bei der Bewältigung einer Sportsucht am effektivsten hilft, kann nicht pauschal beantwortet werden. Doch eines ist für Jeden gleich, egal ob Mann oder Frau: die Einsicht, dass Sie zu viel trainieren und alles andere dem Sport unterordnen, ist der erste Schritt hin zu einer Lösung Ihres Problems.

Meine Link-Empfehlung:

Dieses ehrenamtliche Projekt gibt Betroffenen Hilfestellung bei einer Sportsucht. https://www.arztphobie.com/psychologie/sucht/sportsucht/

Quellen:

https://www.zeitschrift-sportmedizin.de/sportsucht-korrelationen-mit-gewissenhaftigkeit-und-essstoerung/

https://www.zeitschrift-sportmedizin.de/psychologische-muster-fuer-exzessives-sporttreiben-bei-essstoerungen-identifiziert/

https://www.gesundheit.gv.at/leben/bewegung/gesunde-bewegung/sportsucht

https://www.fitforfun.de/sport/trainieren-ohne-grenzen-wo-beginnt-die-sportsucht-162381.html

Fotos: Canva Pro

2 Antworten

  1. Ich denke es ist ein schmaler Grad, vor Allem wenn man selbst eben ambitioniert trainiert und leistungstechnisch Ziele verfolgt. Ich bin selbst Personal Trainer und möchte natürlich auch ein Stück weit körperliches Vorbild für (potentielle) Klienten sein.

    Mit zunehmendem Trainingsalter kam dann bei mir immer mehr die Gelassenheit, mittlerweile bin ich weniger verbissen und dennoch intensiv und recht oft im Training. Gerade das ist auch erstrebenswert: Auch mal ein Training ausfallen lassen zu können, ohne schlechtes Gewissen. Auch mal leichter zu trainieren, wenn gerade viel Stress am Start ist. Eben seine eigene gesunde Mitte finden.

    1. Absolut! Ein Training sollte förderlich und für alle Nicht-Profis am Ende ein Ausgleich zum z.B. Berufsalltag sein. Die Gesundheit steht an erster Stelle, nicht irgendwelche Rekorde. Ich erlebe aber gerade bei ambitionierten Leuten – und das trifft auf viele Unternehmer und Personen mit Führungsverantwortung zu – öfters, dass sie nicht mal eben locker lassen können und den Zugang zu ihrer Mitte verloren haben. Da gibt es dann auch schonmal eine Ansage von mir, welche i.d.R. dankend als Absolution angenommen wird.
      Es ist wichtig zu unterscheiden, wofür trainiert wird. Wettkampfvorbereitung? Dann geht die Intensität auch mal nach oben. Erhalt der Gesundheit, Fitness und Leistungsfähigkeit? Dann sollte ein Training nicht auch noch die letzten Energiereserven verzehren.

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Hallo, ich bin Ilka Wendlandt

Ilka Wendlandt - Personal Trainerin in Köln und Hürth

Ich bin Personal Trainerin aus dem Raum Köln und Hürth, Triathletin, ehemalige PR Managerin und Global Head of Communications im Sportbusiness.

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